Ärmel aufkrempeln und anpacken


Andreas Brandstetter, CEO von UNIQA, über Lehren aus dem Jahr 2011, die Wachstumsstrategie von UNIQA und die Chancen, die sich dem Unternehmen jetzt bieten.

Andreas Brandstetter, CEO von UNIQA (Bild)

Andreas Brandstetter
CEO von UNIQA

Herr Brandstetter, sind Sie zufrieden mit dem Jahr 2011?

Sie würden mich zu Recht für verrückt halten, wenn ich das wäre – bei dem Ergebnis, das wir erzielt haben, kann niemand zufrieden sein. Wir haben Sonderbelastungen durch Investitionen in die Neuausrichtung der UNIQA Group und Abschreibungen auf griechische Staatspapiere zu verdauen gehabt. Die Investitionen waren geplant, die Abschreibungen nicht. Da ärgere ich mich über jeden Cent. Wir haben das in der Bilanz verdaut, weil wir uns auf unser robustes Kerngeschäft verlassen konnten. Unter dem Strich steht aber der hohe Verlust, und wir werden für das Jahr 2011 keine Dividende ausschütten können. Dafür werde ich mich auf der Hauptversammlung bei unseren Aktionären entschuldigen.

Also 2011 abhaken und vergessen?

Abhaken ja, vergessen nein! Man muss die richtigen Lehren ziehen. Wer Entscheidungen trifft und aktiv handelt, der macht auch Fehler. Das ist so. Aber man sollte den gleichen Fehler nicht zweimal begehen. Wir haben aus Griechenland gelernt: Wir haben die Art und Weise, wie wir unser Risiko steuern, völlig neu organisiert. Wir haben 2011 als erste Versicherung in Österreich ein eigenes Risikoressort auf Vorstandsebene geschaffen und implementieren nun das Konzept der „Wertorientierten Unternehmenssteue rung“ im Unternehmen. Mir ist wichtig, dass jedem Mitarbeiter klar ist, dass wir das Geld unserer Kunden verwalten. Und da muss man doppelt und dreifach und vierfach vorsichtig sein.

Wie geht es nun weiter? Werden Sie Ihre Strategie ändern, wenn die Turbulenzen auf den Finanzmärkten wieder stärker werden?

Wir haben im Sommer 2011 unter dem Namen UNIQA 2.0 eine langfristige Wachstumsstrategie für die UNIQA Group präsentiert. Unser Ziel ist, bis 2020 die Kundenzahl auf 15 Millionen zu verdoppeln. Und diese Strategie setzen wir weiter entschlossen um. Ich halte nichts von Hauruck-Aktionen oder ständigen Kurskorrekturen. Die hohen Einmaleffekte haben natürlich unser Ergebnis 2011 belastet, aber sie entlasten uns für die Zukunft. Wir haben ja 2011 ganz gezielt in die Neuausrichtung der Gruppe investiert. Wir machen uns fit, um kräftig wachsen zu können. Und das geht nur mit harter, konsequenter Arbeit. 2011 stand für uns unter einer einfachen Botschaft: Ärmel aufkrempeln und anpacken! Das Gleiche gilt für 2012.

Warum planen Sie jetzt eine Kapitalerhöhung um 500 Millionen Euro? Sie hatten eigentlich für 2013 einen Börsegang vorgesehen?

Wir wollen die Chancen, die sich uns jetzt bieten, nutzen. Vor allem in Zentral- und Osteuropa tun sich uns neue Möglichkeiten auf: Wir haben im vergangenen Jahr 600.000 neue Kunden gewonnen – die meisten davon in Osteuropa. Damit schenken uns bereits 8,1 Millionen Kunden ihr Vertrauen. Und dieses Tempo wollen wir beibehalten. Wir planen, die Minderheitsaktionäre, die derzeit noch an mehreren unserer Osteuropa-Tochtergesellschaften beteiligt sind, auszukaufen. Der Markt für Akquisitionen bewegt sich langsam wieder aufwärts, da globale Konzerne, für die Osteuropa nicht zum Kernmarkt gehört, beginnen, ihre Beteiligungen abzustoßen. Zudem wollen wir organisch wachsen und unseren Vertrieb weiter ausbauen. Für all das brauchen wir jetzt Kapital. Daher haben wir unseren Zeitplan angepasst.*

„Wir wollen die Chancen, die sich uns jetzt bieten, nutzen. Wir haben im vergangenen Jahr 600.000 neue Kunden gewonnen, und dieses Tempo wollen wir beibehalten.“

Ist damit der Börsegang abgesagt?

Nein, im Gegenteil: Wir haben das klare Ziel, den Streubesitz deutlich zu erhöhen. Die Maßnahmen, die wir derzeit setzen, machen die UNIQA Aktie attraktiver. Neben dem Auskauf der Minderheitsaktionäre in Osteuropa und dem geplanten Wachstum schaffen wir jetzt eine klare Konzernstruktur in Österreich: Wir bündeln – vorbehaltlich der behördlichen Genehmigungen – die Personenversicherung und die Sachversicherung in einer Gesellschaft, die sich zu 100 Prozent im Besitz der börsenotierten UNIQA Holding befinden soll. Der Börsegang – im Neudeutschen: Re-IPO – bleibt unser Ziel. Ich kann Ihnen nur nicht sagen, ob das 2013 oder 2014 sein wird. Das hängt davon ab, wann die Kapitalmärkte es erlauben, die Transaktion zu attraktiven Konditionen durchzuführen. Wir werden die Aktie sicher nicht verschleudern.*

Warum sollte ein Anleger in die UNIQA Aktie investieren?

Aus vier Gründen:

  1. Wir haben ein solides Geschäftsmodell mit geringen Risiken: Wir sind ein Retail-Versicherer, unsere Kunden sind großteils Einzelpersonen, Familien sowie kleine und mittlere Unternehmen.
  2. Wir sind stark in unseren Heimmärkten aufgestellt: Wir haben ein stabiles Kerngeschäft in Österreich und eine gute Ausgangsbasis in der Wachstumsregion Zentral- und Osteuropa. Wir sind eng mit unseren lokalen Märkten verbunden und kennen sie gut. Kurz: UNIQA ist europäisch vor Ort.
  3. Die UNIQA Aktie ist eine verhältnismäßig stabile Investition: Versicherungen kamen im Laufe der letzten Jahrzehnte besser durch alle Krisen als andere Industrien. Unser Kerngeschäft ist ein nachhaltiges Investment, nicht besonders spektakulär, aber eben auch weniger stark kurzfristigen Strömungen und Schwankungen unterworfen. Wir sind ein mittelständischer Versicherer, ordentliche Kaufleute. Wir versuchen, Risiken zu minimieren und Wachstumschancen vorsichtig, aber mit Zuversicht zu nutzen.
  4. Wir besitzen eine sehr gute Mannschaft: Wir haben engagierte Mitarbeiter und ein Management, das anpackt.
Andreas Brandstetter, CEO von UNIQA (Bild)

Sie sprechen von Sicherheit, aber am Kapitalmarkt werden starke Osteuropa-Engagements derzeit durchaus kritisch gesehen …

Das wird sich wieder ändern. Die Märkte in Osteuropa haben immer wieder bewiesen, dass sie robuster sind, als viele Kritiker glauben. Sie müssen sich ja nur anschauen, wie stark die Region in den vergangenen zehn Jahren – trotz mancher Unkenrufe – gewachsen ist.

Das heißt, Sie halten an Ihren Wachstumsplänen in dieser Region fest?

Ja, natürlich. Wir haben einen langen Atem. Osteuropa besitzt unverändert ein enormes Wachstumspotenzial. Der Internationale Währungsfonds prognostiziert zum Beispiel für den Zeitraum von 2010 bis 2020 ein deutlich stärkeres BIP-Wachstum für die Länder Zentral- und Osteuropas als in Westeuropa. Während der IWF für Österreich in diesen zehn Jahren mit einem Plus von 28,3 Prozent rechnet, sind es für Polen 52,4 Prozent, für Rumänien 54,1 Prozent und für Albanien sogar 84,9 Prozent. Für uns war immer klar, dass der wirtschaftliche Aufschwung Osteuropas ein jahrzehntelanger wirtschaftlicher, volkswirtschaftlicher und gesellschaftlicher Prozess ist. Unser Engagement ist langfristig. Wir sind gekommen, um zu bleiben, und wir sind gekommen, um zu wachsen.

„Unser Engagement in Zentral- und Osteuropa ist langfristig. Wir sind gekommen, um zu bleiben, und wir sind gekommen, um zu wachsen.“

Können Sie sich dennoch vorstellen, sich aus einigen Märkten zurückzuziehen?

Wir sind keine Glücksritter, die in einen Markt gehen und sich wieder zurückziehen, wenn es nicht sofort klappt. Wir werden aus keinem Markt in Zentral- und Osteuropa, in dem wir jetzt vertreten sind, aussteigen. Wir werden aber auch in keine neuen Länder gehen. Wir arbeiten dort, wo wir die Menschen und ihre Mentalität gut verstehen. Als Dienstleister muss UNIQA in der Lage sein, Verständnis für die Bedürfnisse der Menschen und der Gesellschaft zu entwickeln. Nur wenn wir den Markt gut kennen, können wir die passenden Produkte entwickeln. Ich war beruflich viel in Osteuropa unterwegs. Auch mit meiner Familie bereise ich diese Region sehr gern, nicht zuletzt aufgrund der Vielfalt, die ich kennengelernt habe. Ich kann wirklich sagen: Ich liebe Osteuropa! Und ich glaube, diese Leidenschaft muss man haben.

Sie wollen die Kundenzahl auf 15 Millionen verdoppeln. Ist das überhaupt realistisch?

Absolut. Als ich 1997 zu UNIQA gekommen bin, hatten wir knapp über eine Million Kunden. Wir haben diese Zahl in 13 Jahren bis 2010 mehr als versiebenfacht. Nicht nur, aber vor allem in Zentral- und Osteuropa gewinnen wir laufend neue Kunden. Wir reden hier von einem Markt mit mehr als 300 Millionen Einwohnern. Um dieses Potenzial zu nutzen, müssen wir unmittelbar vor Ort sein. Deshalb bauen wir unsere Präsenz weiter aus – übrigens auch in Österreich. Letztlich geht es um eine Einstellung, eine innere Überzeugung. Wir können nur dann Kunden gewinnen, wenn wir uns wirklich gut um sie kümmern. Wir konzentrieren uns daher auf unser Versicherungskerngeschäft und unsere Kernmärkte. Wir setzen unsere Managementkapazitäten und unser Kapital dort ein, wo wir zu Hause sind. Deshalb auch die Trennung von der Mannheimer Versicherung in Deutschland. Und deshalb unser Vorhaben, das Management unserer Hotelbeteiligungen abzugeben.

Was steht sonst noch im Jahr 2012 auf dem Programm? Was dürfen sich die Aktionäre in diesem Jahr von UNIQA erwarten?

Wir machen das, was wir unseren Aktionären versprochen haben, und setzen unsere vier Schwerpunktprogramme im Rahmen von UNIQA 2.0 um: Wir steigern die Rentabilität in Österreich. Wir entwickeln ein neues Zusammenarbeitsmodell zwischen den Raiffeisenbanken und der Raiffeisenversicherung. Wir forcieren das Wachstum in Zentral- und Osteuropa. Und wir bauen unser Risikomanagement weiter aus. Unser Ziel für heuer ist, wieder ein ordentliches Ergebnis zu erwirtschaften, ein Ergebnis, das über dem Gewinn des Jahres 2010 liegt. Das ist ein erster Schritt zu unserem Ergebnisziel 2015: Bis dahin wollen wir unser Ergebnis um bis zu 400 Millionen Euro gegenüber dem Jahr 2010 steigern.

Andreas Brandstetter, CEO von UNIQA (Bild)

Warum sollte ein Kunde UNIQA Produkte kaufen?

Unsere Produkte sind mehr als Polizzen. Sie sind in erster Linie Serviceleistungen. Wir sind Dienstleister und unser Erfolg hängt maßgeblich davon ab, welche Erfahrungen unsere Kunden in der Zusammenarbeit mit unseren Mitarbeitern machen. Das ist unser Produkt, und da gibt es unendlich viel zu tun, jeden Tag. Wenn die Qualität dieses Produkts stimmt, dann gewinnen wir auch neue Kunden und wachsen. Wir wollen uns daher stetig weiter verbessern. Für dieses Engagement und den tollen Einsatz möchte ich mich ausdrücklich bei unseren 22.000 Mitarbeitern bedanken. Sie haben 2011 in einem wirklich schwierigen Jahr einen tollen Job gemacht!

Welche Herausforderungen sehen Sie auf die Versicherungsbranche und damit auch auf UNIQA zukommen?

Unsere Branche muss ihrer Kernverpflichtung verstärkt nachkommen: Sicherheit geben und den Menschen dadurch ermöglichen, dass sie mit beiden Beinen fest am Boden stehen und gleichzeitig den Kopf in den Wolken haben können. Bei Kindern spricht man oft davon, ihnen „Wurzeln und Flügel“ zu geben. Ich will mit diesem Bild sagen, dass wir finanzielle Stabilität sowohl im Bereich der Vorsorge als auch des Ansparens bieten. Es ist mir ein Herzensanliegen, Menschen Mut zu geben und Angst zu nehmen. Ich betrachte es als unsere Aufgabe als Versicherer, unsere Kunden zu begleiten, sie zu beraten. Eine weitere Herausforderung liegt darin, dem Wandel der Zeit aktiv zu begegnen. Unsere Kunden haben neue Bedürfnisse, neue Medien entstehen und damit auch neue Möglichkeiten. Für uns gilt es deshalb, Trends rechtzeitig aufzuspüren und uns ständig zu fragen, wie wir diese in unseren Services antizipieren können.

Eine letzte Frage: Wie geht UNIQA mit den Themen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung um?

Was wir als Unternehmen bisher machen, ist mir noch nicht genug. Wir haben ein „Green-Building-Zertifikat“, wir haben Klimaschutzinitiativen, wir engagieren uns für Sozialprojekte – das alles ist wichtig, aber es ist nicht die Art von Nachhaltigkeit, die wir uns vorstellen. Wir haben daher ganz bewusst im vergangen Sommer als erste und bislang einzige österreichische Versicherung das Thema Risiko- und Wertemanagement auf Konzernebene in einem eigenen Vorstandsressort etabliert. Unser Ziel ist es, Nachhaltigkeit als integralen Bestandteil von Strategie und Geschäftsmodell zu verankern. Und da – das sage ich ganz offen – haben wir noch einiges zu tun.

* Redaktionell überarbeitet auf Grundlage der Ad-Hoc-Mitteilung vom 27. April 2012.

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