Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
vor der Entscheidung im letzten April, aufgrund von Covid-19 für das Geschäftsjahr 2020 eine Gewinnwarnung sowie den Entfall der Dividende zu kommunizieren, hatten wir mehrere Szenarien sorgfältig berechnet. Wir hatten dabei zwar – korrekterweise – alle potenziell belastenden Effekte miteinbezogen, die Robustheit unseres Kerngeschäfts haben wir jedoch unterschätzt.
Ergebnis über Erwartungen erlaubt Dividende
Als Folge davon ist das abgelaufene Geschäftsjahr wirtschaftlich nicht nur deutlich besser verlaufen als damals gedacht, sondern wir konnten in diesem außergewöhnlichen Transformationsjahr sogar eine Reihe an einmaligen Sonderbelastungen verdauen:
- 99 Millionen Euro an Restrukturierungsrückstellungen als Basis für die Senkung unserer künftigen Kostenbasis
- 39 Millionen Euro für einmalige Integrationskosten aus der AXA-Akquisition
- 106 Millionen Euro für Wertminderungen von Firmenwerten in CEE
„… dank der Robustheit unseres Kerngeschäfts ist das abgelaufene Geschäftsjahr wirtschaftlich deutlich besser gelaufen als gedacht …“
Das nach Abzug dieser drei einmaligen Sonderbelastungen in Höhe von insgesamt 244 Millionen Euro ausgewiesene Ergebnis vor Steuern von 57 Millionen Euro erlaubt uns, entgegen unserer ursprünglichen Prognose vom April 2020 der Hauptversammlung am 31. Mai 2021 sehr wohl eine Dividende für das Geschäftsjahr 2020 vorzuschlagen: genauso wie für das Vorjahr wieder 18 Cent pro Aktie.
Prämien steigen um 3,6 Prozent
Covid-19 hat vor allem zwischen April und Juni 2020 unser Neugeschäft stark gebremst: Viele Europäerinnen und Europäer hatten andere Sorgen, als an den Kauf von Versicherungen zu denken. Es war unseren Kundenbetreuerinnen und -betreuern oft nicht möglich, bestehende oder potenzielle Kundinnen und Kunden physisch zu treffen. Auch die Filialen unserer wichtigsten strategischen Partnerin, der Raiffeisen Bankengruppe, waren teilweise geschlossen und verzeichneten stark reduzierten Kundenverkehr.
Das ausgewiesene Prämienwachstum von 3,6 Prozent lag deshalb deutlich über unseren Erwartungen. Abzüglich der Prämienbeiträge von 212 Millionen Euro der neu erworbenen AXA-Gesellschaften in Polen, der Slowakei und Tschechien, die im 4. Quartal 2020 erstmals konsolidiert wurden, verzeichneten wir – trotz des massiv reduzierten Neugeschäfts im 2. Quartal – insgesamt nur einen leichten Rückgang von 0,4 Prozent. Wir sind stolz auf die Leistungen unserer Kolleginnen und Kollegen im Verkauf und in der Kundenbetreuung:
- In Österreich wuchsen wir um zufriedenstellende 1,0 Prozent.
- International legten wir – inklusive der neu erworbenen AXA-Gesellschaften – um 9,2 Prozent zu. Ohne AXA verzeichneten wir einen Rückgang um 4,3 Prozent, vor allem aufgrund des deutlich zurückgegangen Produktionsvolumens in der Kooperation mit der Raiffeisen Bank International. Bereinigt um Währungsdifferenzen beträgt dieser Rückgang in CEE lediglich 0,7 Prozent.
Unsere Kundenanzahl von rund 10 Millionen (ohne AXA) haben wir gehalten. Rechnet man die Kundinnen und Kunden der neu erworbenen Gesellschaften hinzu, liegen wir bereits bei mehr als 15 Millionen. Das Stornoverhalten war dabei trotz Covid-19 unauffällig. Unsere gestützte Markenbekanntheit in Österreich ist mit 75 Prozent unverändert führend, unsere Preise konnten wir – von einigen lokalen Ausnahmen im Motorgeschäft abgesehen – in einem schwierigen Umfeld großteils unverändert durchsetzen.
Schaden- bzw. Leistungsquoten verbessert
In der Schaden- und Unfallversicherung leisteten wir 2020 um 42 Millionen Euro mehr für Unwetterschäden als im Vorjahr, die Belastung durch Großschäden war ebenfalls hoch, und für Zahlungen rund um Covid-19 haben wir – vor allem für Betriebsunterbrechungen – etwa 70 Millionen Euro vorgesehen. Da sich der erfreuliche Trend des sinkenden Kfz-„Basisschadens“ auch im Jahr 2020 fortgesetzt hat, ist die Schadenquote trotz dieser Belastungen auf sehr gute 63,2 Prozent gesunken (2019: 64,2 Prozent).
In der Krankenversicherung ist die Leistungsquote um 2,7 Prozentpunkte auf 82,8 Prozent gesunken, in der Lebensversicherung trotz einmaliger Aufwendungen von 23 Millionen Euro um 1,4 Prozentpunkte auf 92,6 Prozent. Die Übersterblichkeit, die sich in Österreich aufgrund von Covid-19 gegen Jahresende gezeigt hat, spiegelt sich in unserem Portfolio (noch) nicht wider.
Unsere Kosten stiegen um 11,3 Prozent und damit deutlich stärker als die verrechneten Prämien (+ 3,6 Prozent). Ohne die oben erwähnten Restrukturierungsaufwendungen und Integrationskosten von insgesamt 137 Millionen Euro, die nichts mit dem laufenden Betrieb zu tun haben, liegt der Anstieg – er beruht auf anhaltend hohen Investitionen in die IT und strategische Projekte – bei 2,6 Prozent. Dem strikten Kostenmanagement und der konsequenten Reduktion der Kostenquote gilt im Rahmen unseres neuen Strategieprogramms „UNIQA 3.0 – Seeding the Future“ deshalb unser besonderes Augenmerk.
„… rechnet man die von AXA neu erworbenen Gesellschaften hinzu, liegen wir bereits bei mehr als 15 Millionen Kundinnen und Kunden …“
Hohe Stabilität in Operations und IT
Trotz Covid-19 und der damit verbundenen Arbeit der meisten Kolleginnen und Kollegen von zu Hause aus verzeichneten Operations und IT in Österreich im vergangenen Jahr hohe Stabilität.
Abgesehen von der raschen Umsetzung des Homeoffice für unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Backoffice im März stärkte die IT ihre Governance und Security und ging – parallel zur Unterstützung beim Bau des neuen Kernsystems UIP – auch mit neuen Frontend-Systemen in Produktion. Operations konnte unsere Service-Levels erfolgreich einhalten: Rückstände im Service gab es nur bei den Lockdown-bedingt zeitgleich eingegangenen, sehr zahlreichen Kundenanfragen nach Leistungen für Betriebsunterbrechungen.
In CEE galt der Schwerpunkt sowohl von Operations als auch von IT der vorbereitenden Integration der AXA-Gesellschaften in unseren Kernmärkten Polen, Slowakei und Tschechien..
Rückläufige Kapitalerträge und Solvenzquote
Die Nettoerträge aus Kapitalanlagen von 505 Millionen Euro lagen um 14 Prozent bzw. um 80 Millionen Euro unter dem Wert des Vorjahres. Die beiden wichtigsten Gründe dafür sind die im Jahr 2020 nicht durchgeführten Verkäufe von Immobilien (2019: 45 Millionen Euro an außerordentlichen Erträgen) sowie Impairments bei Beteiligungen, Aktien, Aktienfonds und festverzinslichen Wertpapieren (34 Millionen Euro). Die durchschnittliche Rendite bei unseren Neuveranlagungen (etwa 3 Milliarden Euro) reduzierte sich deutlich von 2,8 Prozent auf 2,07 Prozent.
Ausgehend von einem Wert von 221 Prozent per Jahresende 2019 sank unsere regulatorische Kapitalquote nach Solvency II im Jahresvergleich spürbar auf 170 Prozent: Etwa 20 Prozentpunkte dieses Rückgangs sind dem allgemeinen Zinsrückgang im Jahr 2020 geschuldet, etwa 30 Prozentpunkte resultieren aus der Übernahme der AXA-Gesellschaften.
„… unser neues Strategieprogramm ‚UNIQA 3.0 – Seeding the Future’ ist unsere kraftvolle, optimistische Antwort auf die großen Megatrends in unserer Industrie …“
Bilanzierung und Unternehmenssteuerung
- In weniger als zwei Jahren, im Jänner 2023, werden IFRS 17 und IFRS 9 eingeführt. Dieses Großprojekt ist mit einem Gesamtaufwand von mehr als 50 Millionen Euro nicht nur kosten- und ressourcenintensiv, sondern verändert aufgrund neuer Wirkungszusammenhänge, der noch stärkeren Berücksichtigung langfristiger Werttreiber und einer in die Zukunft gerichteten, investorenorientierten Betrachtung des Geschäftsverlaufs die Art unserer Unternehmenssteuerung grundlegend. Wir haben deshalb diesem Thema bei Schulungen für Management und Aufsichtsrat einen besonderen Schwerpunkt gegeben.
- Wie berichtet, hat die Österreichische Prüfstelle für Rechnungslegung (OePR) im Jahr 2020 eine Enforcement-Prüfung unseres Jahresfinanzberichts 2019 sowie der Halbjahresfinanzberichte 2019 und 2020 durchgeführt. Während sich hier in den meisten Prüfgebieten keine Feststellungen ergaben, zeigte die Analyse der Werthaltigkeitstests für die Firmenwerte in Rumänien und Bulgarien, dass die von uns zugrunde gelegten Wachstumsannahmen und Abzinsungssätze zum Teil nicht den Vorgaben der IFRS entsprachen. Dies führte zu einer nachträglichen Wertminderung der Firmenwerte in Rumänien und Bulgarien um 55 Millionen Euro. Die entsprechende Anpassung erfolgte als Fehlerkorrektur des Jahresergebnisses 2019 gemäß IAS 8 und blieb ohne Auswirkung auf das Ergebnis des Jahres 2020. Wir haben den Kapitalmarkt darüber mittels einer Ad-hoc-Mitteilung informiert.
UNIQA 3.0 – Seeding the Future
Unser neues Strategieprogramm, das wir im November vorgestellt haben und das sich von 2021 bis 2025 erstreckt, ist unsere kraftvolle, optimistische Antwort auf die vier großen Megatrends in unserer Industrie: Niedrigzins und ökonomische Machtverschiebung, demografischer und sozialer Wandel, Innovation und Digitalisierung sowie Klimawandel und Nachhaltigkeit.
„… UNIQA 3.0 ist für unsere Investorinnen und Investoren attraktiv …“
Aufbauend auf einer besonders schlanken Konzernstruktur steuern wir seit Jänner 2020 deshalb das klassische Versicherungsgeschäft in allen unseren Märkten nach den drei Kundengruppen Retail, Corporate und Bank. Oberstes Prinzip ist radikale Kundenorientierung bei einer gleichzeitigen deutlichen Senkung der Kostenquote.
Innovationen in disruptive Geschäftsmodelle treiben wir – bewusst außerhalb des klassischen Versicherungsgeschäfts – in unserem digitalen „Low-Cost Carrier“ CHERRISK sowie in unserem Corporate-Health-Start-up SanusX voran.
Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, „UNIQA 3.0 – Seeding the Future“ ist ein für unsere Investorinnen und Investoren attraktives Strategieprogramm: Ein durchschnittliches jährliches Prämienwachstum von 3 Prozent, eine deutliche Senkung des Kostensatzes auf etwa 25 Prozent und eine Reduktion der Combined Ratio auf netto 93 Prozent ermöglichen einen Return on Equity von 8 bis 10 Prozent. Wir wollen die Dividende pro Aktie auf das Niveau der Vor-Corona-Zeit zurückführen und sie wieder – bei einer Payout Ratio von jeweils 50 bis 60 Prozent – jährlich erhöhen. Die regulatorische Solvenzquote soll dabei jedes Jahr deutlich über 170 Prozent liegen, unsere Verschuldungsquote wollen wir von derzeit etwa 42 Prozent auf deutlich unter 35 Prozent reduzieren.
Das schwierige Transformationsjahr 2020 hat bewiesen, wie robust unser Kerngeschäft in ganz Europa ist. Mit UNIQA 3.0 setzen wir darauf auf und treiben die Weiterentwicklung unserer Unternehmensgruppe entschlossen voran! Ich danke Ihnen, meine sehr verehrten Damen und Herren, im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von UNIQA herzlich für Ihr Interesse an unserer Arbeit sowie Ihr Vertrauen und bin sehr zuversichtlich, dass wir es bereits im ersten Jahr unseres neuen Strategieprogramms „UNIQA 3.0 – Seeding the Future“ rechtfertigen werden!
Wien, im April 2020
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr
Andreas Brandstetter
im Namen des Group Executive Board