„Wir haben unsere Strategie buchstäblich zerlegt …
… und wieder zusammengesetzt.“

Sehr geehrte Damen und Herren, geschätzte Aktionärinnen und Aktionäre,

das Jahr 2016, über das wir Ihnen mit diesem Bericht Rechenschaft legen wollen, begann für Sie und uns intensiv: Gleich im Jänner haben wir Sie darüber informiert, dass wir die Ausrichtung der dritten und letzten Phase unseres langfristigen Strategieprogramms UNIQA 2.0 anpassen.

Andreas Brandstetter mit Weitblick (Foto)

Andreas Brandstetter, 47

Seit Juli 2011 arbeitet Andreas Brandstetter als CEO der UNIQA Group. Davor war er seit 2002 als Mitglied des Vorstands für neue Märkte, M&A sowie Bancassurance verantwortlich. Er hat ein Studium für Politikwissenschaften in Wien und den USA sowie einen Executive MBA an der California State University absolviert. Vor seiner Zeit bei UNIQA war er Leiter des EU-Büros von Raiffeisen in Brüssel.

Zwei Gründe standen dahinter: einerseits notwendige Investments von insgesamt rund 500 Millionen Euro in IT, Digitalisierung und Innovation in den nächsten Jahren, um uns den Herausforderungen des Internetzeitalters proaktiv zu stellen; und andererseits negative Effekte aus dem aktuellen Niedrigzinsumfeld, sprich schrumpfende Erträge aus der Kapitalveranlagung generell und aus der Lebensversicherung im Besonderen.

Dass wir schon damals, also im Jänner, unsere Absicht bekräftigten, unsere Dividende trotz dieser beiden kurz- und mittelfristig ergebnisbelastenden Effekte auf Basis unserer starken Kapitalposition jedes Jahr zu erhöhen, hat viele unserer Aktionäre dennoch nicht beruhigt. Unsere Aktie ging auf Talfahrt bis zu einem All-Time-Low von 5,04 Euro am 11. Februar 2016. Offenbar gelang es uns und auch mir persönlich zunächst nicht, dem Kapitalmarkt die langfristig wertsteigernden Effekte unserer – zugegeben hohen – Investitionen überzeugend und glaubhaft zu kommunizieren.

Diese Enttäuschung des Kapitalmarkts hat uns natürlich stark beschäftigt. Nach einer intensiven Vorstandsklausur Ende August, bei der wir unsere Strategie im Sinne einer tabulosen Evaluierung buchstäblich zerlegt und wieder zusammengebaut haben, haben wir dafür das Bild eines Hauses entwickelt. Eine Skizze zu diesem „UNIQA Haus“, die wir Anfang September in genau dieser Form unserem Aufsichtsrat vorgestellt haben, finden Sie hier:

Das „UNIQA Haus“
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Das „UNIQA Haus“ (Grafik)Das „UNIQA Haus“ (Grafik)

Andreas Brandstetter über Entstehung des „UNIQA Haus“

Anhand dieses Bildes möchte ich gern Ihr Vertrauen in unser Unternehmen stärken oder vielleicht auch erst gewinnen. Bitte nehmen Sie sich einige Minuten Zeit, um meine persönlichen Gedanken zu diesem Haus zu erfahren.

Als Sockel unseres gemeinsamen Hauses fungieren unser solides Kapital und unsere mittlerweile starke Bilanz. Die grünen Daumen darunter und daneben symbolisieren Maßnahmen, mit denen wir das Kapital weiter stärken, rote Blitze bezeichnen jene Positionen, die möglicherweise Risiken bergen. Die meisten Blitze haben wir 2016 entschärft, wobei uns vor allem die Entscheidung zum Verkauf unserer italienischen Gesellschaften nicht leichtgefallen ist.

Oberstes Gebot also: Wir werden gerade im aktuellen, instabilen globalen Umfeld unsere starke Kapitalposition verteidigen und damit besonders sorgfältig umgehen.

Den ersten Stock unseres Hauses bilden unsere fünf Gruppeninitiativen. Zwei davon habe ich rot umrandet, nämlich „Life“ und „IT Core“, weil diese beiden Projekte große Investitionen oder intensiven Ressourceneinsatz erfordern. Dadurch kosten sie kurzfristig Erträge – uns selbst ebenso wie Sie als unsere Aktionäre. Bei „Life“ ist das umso bitterer, weil im derzeitigen Niedrigzinsumfeld rund 42 Prozent unseres Geschäftsvolumens (dieser Wert enthält noch das Geschäft in Italien) etwa 70 Prozent unseres Risikokapitals binden, ohne nennenswerte Erträge zu bringen (siehe auch die Portfoliografik rechts neben dem Haus).

Was tun wir dagegen, und wie lautet unsere Vorwärtsstrategie? Wir wollen

  • kapitalintensives Geschäft in der Lebensversicherung abstoßen (Italien) oder einstellen (Österreich) und dafür biometrisches Lebensgeschäft forcieren; keine Experimente bei der Veranlagung in der Lebensversicherung, aber etwas mehr Offensivgeist, zum Beispiel bei Investitionen in Infrastruktur;
  • die Krankenversicherung auf hohem Profitabilitätsniveau halten und
  • die Ertragskraft in der Sachversicherung steigern (das ist uns 2016 leider vor allem aufgrund der Entwicklung in Polen misslungen) und in dieser Sparte kontrolliert weiterwachsen.
Andreas Brandstetter an seinem Arbeitsplatz (Foto)

Oberhalb des Portfoliokreises lesen Sie auf der rechten Seite „HR: Pimp up Our Teams“. Damit ist gemeint, dass wir unsere Organisationskultur und unsere Arbeitsweise konsequent weiterentwickeln müssen und auch wollen. Soweit es rein um die strukturelle Organisation unserer Gruppe geht, fällt uns das relativ leicht – die reibungslose Fusion unserer vier österreichischen Gesellschaften zur neuen, großen UNIQA Österreich Versicherungen AG im vergangenen Jahr zeugt davon. Bei der Performancekultur haben wir aber noch einiges zu tun, wenn wir uns als Team von rund 20.000 Mitarbeitern und exklusiven Vertriebspartnern gemeinsam zu einem State-of-the-Art-Dienstleister entwickeln und wirklich kundenzentriert arbeiten wollen. Persönlich gibt mir das am meisten zu denken.

„Digitalisierung ist keine temporäre Modeerscheinung, sondern entscheidet über ‚Sein’ oder ‚Nichtsein’ in unserer Industrie.“

Im zweiten Stock unseres Hauses „wohnen“ Innovation und Digitalisierung – zwei für unsere Zukunft eminent wichtige Themen. 2016 ist es uns gelungen, im kollektiven Bewusstsein der gruppenweiten Führungsmannschaft zu verankern, dass Digitalisierung keine temporäre Modeerscheinung ist, sondern über „Sein“ oder „Nichtsein“ in unserer Industrie entscheidet. (Noch) nicht gelungen ist uns und weiten Bereichen der Versicherungswirtschaft aber die kurzfristige Monetarisierung dieses Phänomens, also berechenbare Umsätze und Erträge damit zu erwirtschaften: Wir lernen, wir schulen, wir holen „Digital Natives“ an Bord, wir investieren Zeit und Geld, wir beginnen cross-funktional zu arbeiten, wir beschäftigen uns mit sozialen Medien, wir beteiligen uns an Start-ups, wir haben heute tolle Ideen, die wir morgen zum Teil wieder verwerfen – doch weder unsere Industrie noch unser Unternehmen hatten wirklich relevante radikale Innovation je in ihrer DNA. Deshalb stehen wir immer noch ziemlich am Anfang. Unser Nachteil dabei: Wir müssen mit den geringen Ressourcen, über die wir im Vergleich zu unseren globalen Peers verfügen, besonders sorgfältig umgehen. Unser Vorteil: Wir können agiler arbeiten als mancher Konkurrent und steigen von dem Thema garantiert nicht mehr herunter, denn wir wollen gewinnen!

Auf der Aktionärsebene – Sie sehen unsere drei großen Eigentümergruppen im oberen Bereich der Skizze – gab es 2016 eine Veränderung. Das seit etwa 20 Jahren bestehende Syndikat zwischen der Raiffeisen Bankengruppe, der UNIQA Versicherungsverein Privatstiftung und der Collegialität Versicherungsverein Privatstiftung blieb unverändert bestehen, allerdings haben sich die Anteilsverhältnisse zugunsten der Stiftungen verschoben. Aus Unternehmenssicht ist dabei wichtig, dass die exzellente Vertriebskooperation mit Raiffeisen bestehen bleibt – sowohl in CEE als auch in Österreich (hier wurde sie sogar frühzeitig bis 2022 verlängert). Der möglichen Problematik meiner persönlichen Doppelfunktion als CEO der UNIQA Group und Vorstandsvorsitzender der UNIQA Versicherungsverein Privatstiftung bin ich mir bewusst und werde diese Doppelfunktion deshalb auch langfristig nicht behalten.

Andreas Brandstetter aktiv (Foto)

Mit dem roten Blitz rechts oben – Sie lesen dort „Stock Price“ bzw. „Valuation“ – schließt sich der Kreis zum Anfang dieses Briefs. Er drückt aus, dass wir den schwachen ROE des Jahres 2016 stufenweise wieder erhöhen und dadurch unseren eigenen Beitrag zu einem höheren Aktienkurs leisten wollen. Auch wenn wir derzeit äußerst stark kapitalisiert sind, wollen wir dies jedoch nicht durch eine – nur kurzfristig wirksame – Sonderdividende tun, sondern dadurch, dass wir unser Kapital sorgfältig in das Wachstum unseres profitablen versicherungstechnischen Kerngeschäfts investieren. Genauso wie mit unserem Investitionsprogramm über 500 Millionen Euro wollen wir auch hier unserer langfristigen Verantwortung als Management eines Unternehmens gerecht werden, das rund zehn Millionen Kunden in 18 Ländern Europas für sich begeistern möchte. Darauf gründet auch unsere dezidierte Absicht, jedes Jahr eine absolut steigende Dividende pro Aktie auszuschütten – nicht aus der Substanz des Unternehmens heraus, sondern auf der Basis wachsender Erträge und nachhaltiger Cashflows.

Sehr geehrte Damen und Herren, im Namen aller Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter danke ich Ihnen herzlich für Ihr Interesse am UNIQA Haus. Auch wenn die Welt, in der es steht, gerade turbulent und komplex ist, macht es meinen Vorstandskollegen und mir große Freude, jeden Tag mit Begeisterung und Konsequenz für Sie darin zu arbeiten.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

Andreas Brandstetter
CEO UNIQA Group