Lebensversicherung
Der Balanceakt
Peter Eichler, im Vorstand von UNIQA Österreich und UNIQA International verantwortlich für Personenversicherungen, spricht im gemeinsamen Interview mit Thomas Jaklin (Leiter Lebensversicherung) und René Knapp (Leiter Group Versicherungsmathematik & Risikomanagement) darüber, wie schwierig es ist, im aktuellen Niedrigzinsumfeld kapitalbildende Vorsorgeprodukte anzubieten. Und er erklärt, warum es notwendig war, eine neue Produktgeneration auf den Markt zu bringen.
Sie sind als Vorstand der Personenversicherung auch für klassische Lebensversicherungen verantwortlich. Wie schwierig ist es gerade?
Peter Eichler: Die gesamte Situation ist paradox. Aufgrund des anhaltenden Zinstiefs sind Zinsgarantien heute extrem teuer – Stichwort „Solvency II“ oder „erhöhter Eigenkapitalbedarf“ – und daher wirtschaftlich de facto nicht darstellbar. Diese Garantien waren aber lange Zeit das Herzstück jeder klassischen Lebensversicherung. Gleichzeitig ist der Bedarf an Pensionsvorsorge größer denn je. Für uns war schon 2014 klar, dass die klassische Lebensversicherung, wie wir sie bis dahin kannten, ein Auslaufmodell ist. Deswegen haben wir das Produkt generalüberholt. Unsere neue klassische Lebensversicherung ist – anstatt mit einem Rechnungszins im klassischen Sinne – mit einer 100-prozentigen Kapitalgarantie auf die einbezahlte Nettoprämie ausgestattet. Außerdem atmen die Kosten mit dem erzielten Gewinnanteil mit und sind beim heutigen Ertragsniveau deutlich niedriger als in den bisherigen Modellen. Das ist ein echter Vorteil für unsere Kunden. Wir haben also eine Balance zwischen einer guten Lösung für unsere Kunden und einem für uns darstellbaren Produkt gefunden. Darauf sind wir stolz.
Wie werden sich die Zinsen weiterentwickeln?
René Knapp: Wir gehen davon aus, dass die Zinsen in den nächsten fünf Jahren auf diesem niedrigen Niveau bleiben werden.
Und wie würden Sie reagieren, falls sich die Zinsen langfristig in den negativen Bereich bewegen?
Thomas Jaklin: Dann wäre eine klassische Lebensversicherung, so wie wir sie heute kennen, nicht mehr möglich – und für den Kunden auch nicht sinnvoll. Wir können dem Kunden ja nicht gut garantieren, dass er in 30 Jahren deutlich weniger Geld erhält, als er eingezahlt hat. In diesem Fall müsste der Regulator eingreifen. Es wäre notwendig, die asymmetrische Gewinn- und Verlustverteilung zwischen dem Kunden und der Versicherung neu zu justieren. Dafür müsste der rechtliche Rahmen deutlich geändert werden – etwa mit garantierten Rückkaufswerten, die während der Laufzeit variieren können.
Die Zukunftsvorsorge ist nahezu gänzlich vom Markt verschwunden. Was müsste der Gesetzgeber ändern, damit diese Produkte wieder angeboten werden können?
Jaklin: Die Regelungen für die Veranlagung müssten liberalisiert werden, insbesondere müsste die jederzeit verpflichtende Mindestaktienquote fallen. Sie ist technisch schwer abbildbar und stiftet aus Risiko-Ertrags-Sicht weder für den Kunden noch für uns einen Nutzen.
Ist die klassische Lebensversicherung noch profitabel?
Eichler: Aus heutiger Sicht schon, allerdings nur, solange sich das Umfeld nicht gravierend weiter verschlechtert.
Wie hoch ist das durchschnittliche Garantieversprechen aller klassischen Lebensversicherungen?
Knapp: Das liegt derzeit etwas unter 2,5 Prozent.
Sie müssen für kapitalbildende Lebensversicherungen eine Zinszusatzreserve rückstellen. Wie hoch ist diese aktuell?
Knapp: Die Zinszusatzreserve dient dazu, unsere Eigenmittel zu stärken. Dafür thesaurieren wir jetzt Geld, das wir unseren Kunden im Worst Case zu einem späteren Zeitpunkt zur Erfüllung unserer Garantieversprechen bereitstellen könnten. Bis dato haben wir nach österreichischer Rechnungslegung rund 100 Millionen Euro (UGB) rückgestellt. Dieser Betrag wird sich bis zum Jahr 2020 verdreifachen. Finanziert wird der Aufbau dieser Reserve durch unsere Aktionäre und Kunden, und zwar über eine geringere Gewinnbeteiligung. Wir gehen jedoch aktuell nicht davon aus, dass wir diese Reserve benötigen werden. Mit anderen Worten: Wir sind zuversichtlich, dass dieses Geld den Aktionären und Kunden eines Tages wieder zugutekommt.
Werden Sie im kommenden Jahr neue Produkte im Bereich der Vorsorge anbieten?
Eichler: 2018 wollen wir eine neue fondsgebundene Lebensversicherung lancieren. Dieses Produkt wird für unsere Kunden vor allem wegen der geringen Kostenbelastung sehr attraktiv sein. Kunden, die ein langfristiges Sparziel verfolgen und bereit sind, Risiko zu tragen, können sich damit die 27,5-prozentige KESt ersparen, die üblicherweise für Gewinne aus Fonds oder Aktien bezahlt werden muss. Denn diese Steuer wird im Mantel der Versicherung nicht schlagend.
Peter Eichler, 56
Seit 1999 ist Peter Eichler als Vorstand für das österreichische Krankenversicherungsgeschäft von UNIQA verantwortlich. 2011 übernahm er zusätzlich die Verantwortung für das österreichische Lebensversicherungsgeschäft. Seit 2016 ist er für das gesamte Personenversicherungsgeschäft der Gruppe zuständig. Eichler studierte Rechts- und Handelswissenschaften an der Universität Wien, absolvierte in St. Gallen den Lehrgang für Internationales Management und startete seine Karriere 1988 bei der Austria Versicherung.
René Knapp, 35
Seit Anfang April 2015 ist René Knapp für die gesamten Risikomanagementfunktionen der UNIQA Group verantwortlich.Seine Laufbahn bei UNIQA begann er 2007direkt nach dem Studienabschluss derTechnischen Mathematik an der TU Wien.Nach Erfahrungen als Aktuar und Leiter der Versicherungstechnik Lebensversicherung für die österreichischen Gesellschaften der UNIQA Group wurde er 2012 mit der Leitung des Aktuariats der gesamten UNIQA Group betraut.
Thomas Jaklin, 39
Seit Februar 2012 leitet Thomas Jaklin den Bereich Versicherungstechnik Lebensversicherung von UNIQA Österreich. Davor sammelte er mehr als sieben Jahre lang Branchenerfahrung in der Versicherungsmathematik. Der ausgebildete Mathematiker ist seit April 2016 für die versicherungstechnischen Agenden des Lebensversicherungsbereichs der UNIQA Group verantwortlich.