Brief des CEO
Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,
im Geschäftsjahr 2023 wurde für börsennotierte europäische Versicherungsgesellschaften erstmals das neue Bilanzierungsregelwerk IFRS 9/17 angewendet. Die wichtigsten Unterschiede zu dem Ihnen bisher geläufigen Ansatz nach IFRS 4 finden Sie, hoffentlich verständlich und für Sie nachvollziehbar aufbereitet, im Kapitel IFRS 9/17. Um Ihnen den Vergleich mit unserer bisherigen operativen Performance zu erleichtern, haben wir in diesem Geschäftsbericht die relevanten Finanzkennzahlen des Jahres 2022 so dargestellt, als wäre das neue Regelwerk IFRS 9/17 bereits damals in Kraft gewesen.
Gestiegenes Ergebnis vor Steuern und Nettoergebnis
2023, das dritte und vorletzte Jahr unseres Strategieprogramms „UNIQA 3.0 – Seeding The Future“, war ein finanziell erfolgreiches:
Bei einem Wachstum der verrechneten Prämien von 9,7 Prozent erhöhte sich das Ergebnis vor Steuern auf 426,4 Millionen Euro – der Vergleichswert des Vorjahres hatte 272,3 Millionen Euro betragen, bzw. 421,7 Millionen Euro nach dem bisherigen Regelwerk IFRS 4. Der Beitrag des internationalen Geschäfts war abermals hoch und stieg auf erfreuliche 230 Millionen Euro, jener unserer Rückversicherungsgesellschaft UNIQA Re in Zürich belief sich auf 70 Millionen Euro.
Abzüglich Steuern und eines Betrags von 19,3 Millionen Euro für den aufgegebenen Geschäftsbereich „Russland“ erhöhte sich das Konzernergebnis um 18,3 Prozent auf 302,7 Millionen Euro. Bei einem auf 2,710 Milliarden Euro gewachsenen Eigenkapital und einem Return on Equity von 14,1 Prozent ermöglicht es uns, der Hauptversammlung am 3. Juni 2024 eine um 2 Cent steigende gesteigerte Dividende von 57 Cent je Aktie vorzuschlagen. Das entspricht einer Ausschüttungsquote von 58 Prozent. Die regulatorische Kapitalquote der UNIQA Group stieg um neun Prozentpunkte auf 255 Prozent.
Dringend notwendige gesellschaftliche Reformen
Nicht erfolgreich verlief im Jahr 2023 der Dialog der Versicherungswirtschaft mit europäischen und nationalen Gesetzgebern zu dringend notwendigen Reformen, um Wohlstand für möglichst viele Menschen sowie Wachstum für unsere Wirtschaft im globalen Wettbewerb und damit die Zukunftsfähigkeit Europas zu sichern.
Wir sind ein Unternehmen mit etwa 16.000 Mitarbeiter:innen und konnten allein im Berichtszeitraum etwa 2.100 neue Kolleg:innen für uns gewinnen. In den beiden Jahren zuvor war diese Zahl nur unwesentlich niedriger. Das bedeutet, dass wir eine signifikante Veränderung in der personellen Zusammensetzung Ihrer UNIQA durchlaufen. Eines vereint uns unverändert: Wir wollen einen spürbaren Beitrag dazu leisten, dass 16,7 Millionen Kund:innen, die sich für uns entschieden und uns damit ein Stück ihrer Sicherheit anvertraut haben, in 17 Ländern Mittel- und Osteuropas durch die Kraft unserer Gemeinschaft gemeinsam besser leben. Vor allem in drei Problemfeldern suchen wir konkrete Lösungen für unsere Kund:innen:
Erstens sind angesichts der demografischen Entwicklung attraktive Angebote zur sorgfältigen und bedachten privaten Altersvorsorge unverzichtbar, um den Menschen Europas und damit auch unseren Kund:innen ein Altern in Würde und ohne Armut zu ermöglichen. Dies gilt vor allem für Frauen, deren Pensionen gerade in Österreich im Durchschnitt um rund 30 Prozent unter jenen der Männer liegen. Leider sind die Gespräche zur Reform der zweiten und der dritten Säule bislang fruchtlos geblieben.
Zweitens knirschen neben den Sozialsystemen auch die meisten Gesundheitssysteme Europas. So auch in Österreich, wo im letzten Jahr zum ersten Mal mehr als 50 Milliarden Euro für Gesundheit ausgegeben wurden – davon aber leider nur zwei Prozent für Prävention. Wir erkennen kaum Reformen im öffentlichen Sektor, weswegen wir im Sinne unserer Kund:innen über die vor Kurzem gegründete Mavie Holding fokussiert in eigene Gesundheitsinfrastruktur investieren: 245 Millionen Euro während der nächsten Jahre in unsere Privatspitäler, in unser eigenes Ärztenetzwerk, in den im vergangenen Dezember abgeschlossenen Mehrheitserwerb des größten polnischen Telemedizinanbieters mit etwa 500.000 Patient:innen, in den österreichischen Marktführer MavieWork, der unseren Unternehmenskund:innen betriebliche Gesundheitsvorsorge und psychosoziales Coaching für deren Mitarbeitenden anbietet, sowie in 24/7-Betreuung zu Hause.
Drittens haben sich 2023 zum wiederholten Mal die drastischen Konsequenzen des globalen Klimawandels in deutlich erhöhten Schadenbelastungen bemerkbar gemacht, ganz besonders in Österreich. Neben den hohen mentalen Belastungen sind vor allem die wirtschaftlichen Konsequenzen für unsere Kund:innen oft dramatisch: Die Zahlungen von 153 Millionen Euro für unwetterbedingte Leistungen, die wir im vergangenen Jahr allein an Kund:innen in Österreich geleistet haben, decken meist bei Weitem nicht den tatsächlich erlittenen finanziellen Schaden ab. Die Versicherungswirtschaft Österreichs schlägt deswegen seit Jahren ein Modell ähnlich jenem in der Schweiz oder in Belgien vor, bei dem in jede Feuerversicherung automatisch eine geringe Prämie von wenigen Euro pro Monat inkludiert wird, um im Fall eines Schadens aus Naturkatastrophen den gesamten Neuwert des zerstörten Hab und Guts ersetzt zu erhalten. Eine überfällige Reform, die aus Bittsteller:innen der öffentlichen Hand mündige Vertragspartner:innen von Versicherungsgesellschaften machen würde: Während Bürger:innen derzeit von Zuwendungen des Katastrophenfonds abhängig sind, der meist nur 20 bis 30 Prozent des eingetretenen Schadens ersetzt, bestünde künftig ein klar geregelter Anspruch auf kompletten Ersatz des Neuwerts.
Dass UNIQA im Geschäftsjahr 2023 auf Gruppenebene die kombinierte Schaden-Kosten-Quote brutto, also die sogenannte Combined Ratio vor Rückversicherung, trotz dieser hohen Leistungen für Unwetterschäden in Österreich um mehr als zwei Prozentpunkte auf 89,4 Prozent verbessern konnte, hängt vor allem mit der exzellenten versicherungstechnischen Entwicklung unseres internationalen Portfolios zusammen. In unseren Gesellschaften in CEE beträgt die Combined Ratio brutto insgesamt 85,6 Prozent.
Starke Performance der Kapitalanlagen
Unser zweiter Hebel, um Kund:innen langfristig besser vor Naturkatastrophen schützen zu können, ist das Asset-Management. Die europäische Versicherungswirtschaft ist der größte institutionelle Investor des Kontinents und verwaltet Kapitalanlagen von etwa 11 Billionen Euro. Je rascher es gelingt, mehr und mehr dieser Investments auf Basis einer klaren Taxonomie in wirklich nachhaltig grüne Kapitalanlagen überzuleiten, umso wahrscheinlicher ist das Erreichen der Pariser und anderer Klimaziele. Wir engagieren uns deswegen aktiv bei der Net-Zero Asset Owner Alliance, die weltweit die größten Erst- und Rückversicherer sowie Pensionsfonds vereint und sich zum Ziel gesetzt hat, die CO2-Emissionen ihrer Anlageportfolios bis 2050 auf netto null zu stellen. Ebenso sind wir Mitglied der Green Finance Alliance des österreichischen Bundesministeriums für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie, die eine freiwillige Selbstverpflichtung von Finanzunternehmen zur Einhaltung konkreter, an den Pariser Klimazielen ausgerichteter Kriterien vorsieht. Die Erfüllung dieser Kriterien wird jährlich evaluiert.
Zur Performance im Asset-Management selbst: War das Ergebnis unserer Kapitalanlagen im Geschäftsjahr 2022 stark von Wertberichtigungen bei russischen und ukrainischen Bonds geprägt gewesen, entwickelte es sich 2023 erfreulich: Mit 588,8 Millionen Euro lag das Net Investment Income deutlich über dem Referenzwert des Vorjahres von 179,8 Millionen Euro. Verantwortlich dafür waren vor allem hohe laufende Erträge aus unterschiedlichen Assetklassen.
Wir haben im Geschäftsjahr 2023 etwa 2,5 Milliarden Euro neu veranlagt, rund 1 Milliarde Euro mehr als im Jahr zuvor. Der New Money Yield betrug 4,7 Prozent, die durchschnittliche Verzinsung unseres gesamten Portfolios belief sich auf 2,8 Prozent. Der Bestand an Kapitalanlagen erhöhte sich um 5,4 Prozent auf 20,432 Milliarden Euro, von denen bereits etwas mehr als 10 Prozent in Grüne Assets investiert sind.
Optimistischer Ausblick
Das Risiko erweiterter geopolitischer Verwerfungen und die damit verbundenen Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten werden uns heuer ebenso unverändert begleiten wie Zinsvolatilitäten und ein inflationsbedingt hoher Druck auf unsere Kosten sowie Schadensleistungen.
Sehr geehrte Damen und Herren, dennoch sind wir optimistisch, im Geschäftsjahr 2024, dem letzten unseres Strategieprogramms „UNIQA 3.0 – Seeding The Future“, eine weitere Verbesserung unseres versicherungstechnischen Kerngeschäfts erreichen zu können. Da die Belastungen aus unwetterbedingten Schäden hoch bleiben und dadurch auch unsere Kosten für den Kauf externer Rückversicherungsdeckungen steigen werden, bedeutet das, dass wir die Profitabilität unseres restlichen Portfolios erhöhen müssen. Wir sind zuversichtlich, dass uns das gelingen wird und dass wir Sie als unsere Aktionärinnen und Aktionäre progressiv, das heißt mit jährlich steigender Dividende pro Aktie, am Erfolg unseres Unternehmens beteiligen können. Die Payout Ratio soll dabei unverändert bis zu 60 Prozent betragen.
Daran für Sie mit unverändert viel Leidenschaft und Freude arbeiten zu dürfen, macht uns stolz. Wir danken Ihnen für Ihr Vertrauen und hoffen, Ihnen auch in einem Jahr einen für Sie zufriedenstellenden Bericht über unsere Geschäftsentwicklung geben zu können.
Wien, im April 2024
Ihr Andreas Brandstetter
im Namen des Vorstandsteams