Brief des CEO

CEO Andreas Brandstetter (Foto)

Sehr geehrte Damen und Herren, sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre,

„der Verlauf des Geschäftsjahres 2022, auf das wir vor wenigen Monaten noch voller Freude und Zuversicht geblickt hatten, ist dadurch [den Angriffskrieg der Russischen Föderation auf die Ukraine am 24. Februar 2022, Anm.] naturgemäß mit erheblichen Unsicherheiten verbunden“ – so haben wir an dieser Stelle vor einem Jahr geschrieben. Und auch noch gegen Jahresmitte war unsere Stimmung unverändert besorgt.

Denn zu diesem Zeitpunkt war noch keineswegs absehbar, dass das Geschäftsjahr 2022 letztlich das bislang erfolgreichste unserer Unternehmensgeschichte werden würde: Hohe Wertberichtigungen bei russischen Anleihen, durch gestiegene Zinsen unter Druck gekommene Marktwerte von festverzinslichen Wertpapieren, signifikante Großschäden bei österreichischen Firmenkunden, inflationsbedingte Nachreservierungen für Unwetterschäden aus dem Sommer 2021 – eine ganze Reihe an Ereignissen während der ersten sechs Monate hat uns schließlich veranlasst, dem Kapitalmarkt im Juli per Ad-hoc-Mitteilung unsere gedämpften Aussichten für das Gesamtjahr zu kommunizieren.

Konstante und deutliche Verbesserung des Kerngeschäfts

Das 3. Quartal brachte dann aber eine Trendumkehr, die sich auch im 4. Quartal fortsetzte. Hauptgründe dafür waren unsere exzellente versicherungstechnische Entwicklung in CEE sowie eine sichtbare Verbesserung des Kerngeschäfts in Österreich. Letztlich konnten wir unser vorgeschriebenes Prämienvolumen um insgesamt 3,9 Prozent auf 6,605 Milliarden Euro steigern und unseren Kostensatz um 0,2 Prozentpunkte auf 27,2 Prozent reduzieren. Die Combined Ratio verbesserte sich nochmals deutlich auf erfreuliche 92,9 Prozent, unterstützt durch signifikante Abwicklungsgewinne in Österreich aus konservativen Reservierungen der Vergangenheit, eine moderate Entwicklung des sogenannten Basisschadens im Privatkundengeschäft sowie die Beiträge unserer internationalen Rückversicherungspartner.

Hohe Wertminderungen bei den Kapitalanlagen

Für unsere Kapitalanlagen stellte das Geschäftsjahr 2022 aus zwei Gründen eine besondere Herausforderung dar: Einerseits haben die immer wieder gestiegenen Zinsen die Marktwerte der festverzinslichen Wertpapiere und Fondszertifikate zum Teil deutlich reduziert, nachdem wir zuvor die schwierige Niedrigzinsphase der letzten zwölf Jahre mit einem disziplinierten Asset-Liability-Matching gut bewältigt hatten. Dadurch waren wir zu Abschreibungen gezwungen, die nicht nur unser Eigenkapital um 1,27 Milliarden Euro auf 2,034 Milliarden Euro reduziert, sondern auch unsere Gewinn- und Verlustrechnung mit 166 Millionen Euro belastet haben.

Andererseits hat der Krieg im Osten erhebliche Wertberichtigungen von 142 Millionen Euro bei unseren russischen und ukrainischen Bonds notwendig gemacht. Diesen Impairments standen zwar deutlich über Plan liegende laufende Erträge aus anderen Assetklassen gegenüber, konnten diese aber nur teilweise kompensieren. Im Endeffekt lag unser Net Investment Income mit 406 Millionen Euro um 37,4 Prozent und damit deutlich unter dem Vorjahreswert (648 Millionen Euro). Unser Bestand an Kapitalanlagen reduzierte sich – ebenfalls durch die zinsbedingte Wertminderung bei festverzinslichen Wertpapieren und Fondszertifikaten – um 3,359 Milliarden Euro auf 18,426 Milliarden Euro.

Gestiegenes Ergebnis vor Steuern und Nettoergebnis

Vereinfacht gesagt, hat also ein abermals deutlich verbessertes versicherungstechnisches Ergebnis den stark reduzierten Beitrag aus Kapitalanlagen kompensiert. Als Konsequenz stieg unser Ergebnis vor Steuern um 10,3 Prozent auf 422 Millionen Euro. Der Anteil des internationalen Geschäfts lag dabei mit 174 Millionen Euro über jenem unserer österreichischen Gesellschaft, auf die 102 Millionen Euro entfielen. Unsere Rückversicherungstochter UNIQA Re mit Sitz in Zürich steuerte 75 Millionen Euro bei.

Bei einer geringen Steuerquote von 7,7 Prozent beträgt unser Jahresnettoergebnis 383 Millionen Euro. Es erlaubt uns, der Hauptversammlung am 6. Juni eine im Vergleich zum Vorjahr unveränderte Dividende von 55 Cent pro Aktie vorzuschlagen. Die Payout Ratio würde damit 44 Prozent betragen. Die ökonomische Solvenzquote der UNIQA Group stieg 2022 um 50 Prozentpunkte auf 246 Prozent.

Optimistischer Ausblick

Die anhaltenden Unsicherheiten auf den Kapitalmärkten veranlassen uns, weiterhin Vorsicht walten zu lassen und – genauso wie im Vorjahr – keinen konkreten Ausblick auf das laufende Geschäftsjahr zu geben. Dies mit drei Ausnahmen:

Erstens erwarten wir weiterhin solide und resiliente Ergebnisbeiträge aus unserem versicherungstechnischen Kern­geschäft, sowohl in Österreich als auch in CEE.

Zweitens bekräftigen wir als zweitgrößte Versicherung im Land unser uneingeschränktes Commitment gegenüber der Ukraine, dem ukrainischen Versicherungsmarkt und unseren etwa 900 ukrainischen Kolleg:innen. Ihnen gelten unser besonderer Dank und unsere Hochachtung, denn sie haben mit beispiellosem Mut, hoher Leidenschaft und beeindruckender Nervenstärke während des letzten Jahres mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln unsere rund 1,4 Millionen ukrainischen Kund:innen unter schwierigsten Bedingungen exzellent betreut.

Und drittens wird – bei einem aktuellen Prämienanteil am gesamten Konzernvolumen von 0,8 Prozent und einem Ergebnisbeitrag von 6,1 Prozent – die schon bisher untergeordnete Bedeutung unserer russischen Tochtergesellschaft weiter abnehmen. Da wir das Neugeschäft sofort nach Kriegsausbruch de facto eingestellt haben, schrumpfen wir in Russland tagtäglich und evaluieren alle strategischen Optionen, inklusive eines Verkaufs der Gesellschaft.

Sehr geehrte Aktionärinnen und Aktionäre, der Krieg im Osten und seine wirtschaftlichen Konsequenzen überlagern derzeit vieles. Unseren drei langfristig wichtigsten strategischen Aufgaben – der kundenzentrierten Weiterentwicklung unserer Dienstleistungen und Prozesse, der konsequenten Ausrichtung unseres Unternehmens in Richtung ESG sowie unserem Bemühen als Arbeitgeberin um die besten Köpfe der jüngeren Generationen – kommen wir aber ebenso fokussiert und leidenschaftlich nach wie unserem operativen Tagesgeschäft.

Im zweiten vollen Jahr unseres Strategieprogramms „UNIQA 3.0 – Seeding the Future“ haben wir als Vorstandsteam mit unverändert viel Freude, Enthusiasmus und Stolz für Ihre UNIQA Group gearbeitet! Wir freuen uns, dies auch in Zukunft tun zu dürfen, und hoffen, Ihnen auch in einem Jahr einen für Sie zufriedenstellenden Bericht über die Geschäftsentwicklung geben zu können – dann zum ersten Mal in neuem Gewand, denn das Geschäftsjahr 2023 wird nach der neuen Rechnungslegungsvorschrift IFRS 9/17 bilanziert werden.

Andreas Brandstetter
im Namen des Vorstandsteams