IFRS 9/17: Grundlegende Änderung der Berichterstattung von Versicherungen

Im Mai 2017 vom International Accounting Standards Board herausgegeben und im Juni 2020 nochmals adaptiert, ist der neue IFRS 9/17 mit 1. Jänner 2023 in Kraft getreten. In dieser überarbeiteten Version wurde der neue internationale Rechnungs­legungsstandard mit der Verordnung (EU) 2021/2036 der Europäischen Kommission im November 2021 auch zu europäischem Recht. Er ersetzt den seit 2005 geltenden Interimsstandard IFRS 4 zur Bilanzierung von Versicherungsverträgen. Der neue Standard regelt die Grundsätze in Bezug auf Identifikation, Ansatz, Bewertung und Ausweis von Versicherungsverträgen und verändert damit die Berichterstattung von börsenotierten Versicherungsunternehmen grundlegend.

Neue Bewertungsmethodik für Versicherungs­verträge …

Die wichtigsten Neuerungen, die IFRS 9/17 mit sich bringt, beziehen sich auf die Methodik, nach der Verträge und Polizzen bewertet werden. Die Kernfrage lautet: Ab wann erzielt ein Versicherungsunternehmen Gewinne, und wer trägt dazu bei? Während die Verträge bisher primär anhand von Einnahmen (Prämien) und Ausgaben (Versicherungsleistungen) bewertet wurden, orientiert sich die Beurteilung künftig am Barwert der potenziellen Cashflows. Diese werden über die Perioden verteilt und diesen wirtschaftlich zugeordnet. Besonders Lebensversicherungsverträge, deren Laufzeiten mehrere Jahrzehnte betragen können, sind davon betroffen.

… und geänderte Umsatzdarstellung

Umstellen müssen sich Anleger:innen auch beim Blick auf die Gewinn- und Verlust-Rechnung. Nach IFRS 9/17 werden keine Bruttoprämien mehr ausgewiesen, sondern ein sogenannter Versicherungsumsatz. Dafür wird z. B. der in Lebensver­sicherungsverträgen enthaltene Sparanteil herausgerechnet. In Summe wird der Umsatz somit niedriger ausfallen als die bisherigen Bruttoprämien.

Deutlich mehr Klarheit für Investor:innen

In Summe bringt die Umstellung deutliche Vorteile: Die konsistente, marktnahe Betrachtung behebt die bisherigen systematischen Inkonsistenzen zwischen Aktiv- und Passivseite (bisher wurden nur die Kapitalanlagen eines Versicherers marktnah bewertet, während die Schadenrückstellungen nicht nach dem Zeitpunkt der Inanspruchnahme diskontiert wurden). Die angemessene Umsatzdarstellung und Erfassung des Versicherungsgeschäfts getrennt von Verträgen mit Anlagecharakter schafft zudem größere Klarheit, und die Offenlegung erwarteter künftiger Gewinne aus langlaufendem Geschäft erhöht die Transparenz.

Für externe Beobachter:innen sollte das Versicherungsgeschäft auf diese Weise wesentlich verständlicher werden als bisher. Natürlich müssen sich die neuen Parameter und Kennzahlen, deren Entwicklung die Branche derzeit mit Hochdruck vorantreibt, erst bei allen Stakeholder:innen etablieren. Auch UNIQA arbeitet derzeit an der – äußerst zeit- und auch kostenintensiven – Umstellung und wird ab dem 1. Quartal 2023 nach dem neuen Standard berichten.

Strategie und operatives Geschäft unverändert

Wichtig ist, bei alldem zu beachten: Der neue Standard ändert nur die Darstellung bzw. die Bilanzierung, nicht die operative Steuerung unseres Geschäfts und schon gar nicht dessen Profitabilität und Zukunftspotenzial. Konzernstrategie, Dividenden­politik, Kapitalstärke und umsichtige Finanzierung von UNIQA bleiben somit unverändert. Die Ertragskraft unseres Geschäfts sollte für unsere Aktionär:innen künftig sogar noch deutlicher sichtbar werden.

IFRS
„International Financial Reporting Standards“ (internationale Grundsätze der Finanzberichterstattung). Seit 2002 gilt die Bezeichnung IFRS für das Gesamtkonzept der vom International Accounting Standards Board verabschiedeten Standards. Bereits zuvor verabschiedete Standards werden weiter als International Accounting Standards (IAS) zitiert.
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Prämien
Verrechnete Gesamtprämien. Alle im Geschäftsjahr vorgeschriebenen Prämien aus Versicherungsverträgen des selbst abgeschlossenen und des in Rückdeckung übernommenen Geschäfts.
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Versicherungsleistungen
Summe der für Versicherungsleistungen geleisteten Zahlungen und der Veränderung der Rückstellung für Versicherungsfälle während des Geschäftsjahres im Zusammenhang mit Versicherungsverträgen aus dem Direktversicherungsgeschäft und dem Rückversicherungsgeschäft (brutto). Vermindert um den an Rückversicherungsunternehmen abgegebenen Betrag spricht man von Nettoversicherungsleistungen. Davon ausgenommen sind Schadenregulierungsaufwendungen und die Bewegung der Rückstellungen für Schadenregulierungsaufwendungen.
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